Zu klein geschrieben: 1800 € Geldstrafe

Finden die politischen Tribunale am Amtsgericht Krefeld mittlerweile im Monatsrhythmus statt? Freitag, den 19. März 2010, waren jedenfalls L. S. und O. H. an der Reihe. Die beiden Angeklagten hatten am 12. Januar 2009 an einer Mahnwache von NPD und Jungen Nationaldemokraten auf dem Krefelder Neumarkt teilgenommen. Die Mahnwache ist die Miniform einer Demonstration. L. S. war Anmelder und Veranstaltungsleiter. In antiimperialistischem Geiste solidarisierten sich die Demonstranten mit den von Israel im Gaza-Ghetto überfallenen Palästinern, damals ein brandaktuelles Thema.

Dazu hielten je nach Zeuge zwei, vier, fünf Mann ein Transparent: „Juden raus aus Palästina“, wobei jedes Wort in einer neuen Zeile stand. Auf Höhe der beiden unteren Zeilen befand sich das JN-Logo rechts daneben. Das Transparent wurde im Gerichtssaal vorgeführt. Tatsächlich war „aus Palästina“ ein wenig kleiner geschrieben als „Juden raus“. Ein grafisch geschultes Auge konnte die Absicht des Grafikers spüren, das JN-Logo gut zur Geltung zu bringen und nicht in die Ecke zu quetschen. Er hätte besser einen Jurakurs besuchen sollen.

Nach den Zeugenaussagen, auch denen der Antifaschisten (ist „Anti“ hier auch strafwürdig klein geschrieben?), konnten offensichtlich alle Passanten und Gegendemonstranten den gesamten Text lesen, wenn sie ihn aus ihrem Blickwinkel überhaupt einsehen konnten. Es gab offenkundig auch keinen, der sich verhetzt fühlte.

Der jungen Staatsanwältin war’s egal, sie forderte wegen Volksverhetzung je vier Monate auf Bewährung, Geldbußen und 150 Stunden Arbeitseinsätze dazu. Aber der Richter sah wohl absolut keine Möglichkeit, den nur wegen ihrer ein wenig zu klein geratenen Meinungsäußerung angeklagten nach dem berüchtigten § 130 StGB (1) wegen beabsichtigter Aufstachelung zum Haß gegen Teile der Bevölkerung zu verurteilen. Dies gäbe es nur in abstraktem Sinne, irgendwo. Auf diesen Tatbestand stehen drei Monate bis fünf Jahre Haft. So suchte der Richter sich § 130 (2) 1b: „Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer Schriften, die zum Haß gegen Teile der Bevölkerung … aufstacheln, … öffentlich ausstellt …“ Das „aus Palästina“ Alibispruch sei, erkenne jeder, war seine Begründung. Die verteilten detaillierten Flugblätter zum Thema Israel – Palästina wurden inhaltlich gar nicht zur Kenntnis genommen. So erhielt L. S. 40 Tagessätze zu 30 €, in Summe 1.200 €, und O. H. 40 Tagessätze zu 15 €, in Summe 600 €.

Interessant waren auch die Zeugen. Der Dienstgradhöchste, Staatsschutzrat Sebstian Wessel, hat mit 34 Lebensjahren wohl eine Karriere als Jünger Metternichs im Sinne. Sein Anzug kontrastierte zum Zweitagestoppelbart. Die Zeugen sagten aus, daß das Transparent mit den zu kleinen Lettern einige zehn Sekunden bis vielleicht eine Minute zu sehen war, dann hatte es die Polizei beschlagnahmt, offenkundig zur Sicherung der Meinungsfreiheit. Stephan Hagemes, der berüchtigte Antifaschist sah es jedoch rund fünfzehn Minuten. Der Verfasser vermutet selektoperzeptotische Zeitdilatation.

Die Meinungsverbrecher hatten auch den Spruch „Juden raus aus Palästina“ skandiert. Die Zeugen wurden deshalb intensiv befragt, wie lange die „Zäsur“, sprich die Atempause zwischen „raus“ und „aus“ gedauert habe. Die Polizei hatte diesen Spruch auf dem Neumarkt nach einer Weile untersagt. Die „Zäsur“ war ihr mit der Zeit für die Meinungsfreiheit ein wenig zu lang geworden. Auch ein Fall von selektoperzeptotischer Zeitdilatation oder schlicht knappe Puste der Rufer? Der Richter konnte trotz intensiven Suchens strafrechtlich an den rund ein bis zwei Sekunden „Zäsur“ wenig Verurteilungsfähiges festmachen. Somit ist in Krefeld Atemholen noch nicht strafbar, vorläufig.

Im überfüllten Gerichtssaal, fanden sich als Zuschauer neben einigen Antifaschisten die Prozeßbeobachter der Bürgerrechtsorganisation „Krefelder Forum Freies Deutschland“, darunter Dr. Hans-Ulrich Höfs. Dieser war einige Jahre lang selbst in Sachen Volksverhetzung vorbestraft, bis das Bundesverfassungsgericht die Volksverhetzung den beteiligten Richtern und Staatsanwälten um die Ohren haute (http://www.krefelder-forum.de/2009/10/07/verfassungsbeschwerde/).

Weiterhin war wohl eine komplette Schulklasse anwesend, unter Führung eines antifaschistischen Lehrers. Die Frage an einige der Schüler, ob sie zum Prozeß abkommandiert worden seien, verneinten sie. Allerdings wies man darauf hin, daß man ansonsten Unterricht gehabt hätte. Interessanterweise diskutierten einige Schüler in der Pause vor Verkündung des Urteils, daß die Angeklagten wohl freigesprochen würden. Der linke Lehrer hielt zwar im Streitgespräch mit einem der Prozeßbeobachter offenkundig nichts von Meinungsfreiheit, war aber mit dem Konditionieren seiner Schüler nicht so ganz erfolgreich. Pisa fängt halt bei den Lehrern an.

Anmerkung:

a) Die Krefelder Justiz ist für ihre seltsamen Urteile, bis hin zur expliziten Verfassungsfeindlichkeit (laut Maßgabe des Bundesgrundgesetzgerichtes) bekannt.

b) Der Vorsitzende der Mosaischen Kultusgemeinde zu Krefeld ist in Personalunion Direktor des Amtsgerichts Krefeld und Vizepräsident der Deutsch-Israelischen Juristenvereinigung.

http://www.ag-krefeld.nrw.de/wir_ueber_uns/behoerdenleiter/index.php

http://www.zentralratdjuden.de/de/topic/59.html?gemeinde=28

http://www.dijv.de/index.php?id=5

Altermedia

Die Justiz ist die Hure der jeweiligen Regierenden.

Spruch des französischen Philosophen und StaatsmannesTalleyrand 1754 – 1838