Hausdurchsuchung

Rechtsgrundlage für Hausdurchsuchungen sind die §§ 102 ff. StPO. Diese Vorschriften schränken das in Artikel 12 des Grundgesetzes garantierte Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung ein. Das Gesetz regelt ausführlich, wann und unter welchen genau beschriebenen Bedingungen in dieses grundsätzlich geschützte Rechtsgut eingedrungen werden darf:

1. Nur auf richterliche Anordnung. Lediglich bei Gefahr im Verzug auch auf Anordnung der Staatsanwaltschaft oder bestimmter Kriminalbeamter (§ 105 StPO);
2. Nachts darf dies nur bei Verfolgung auf frischer Tat oder bei Gefahr im Verzug angeordnet werden (S 10.1 StPO);
3. Wenn kein Richter oder Staatsanwalt der Durchsuchung beiwohnt, so sind wenn möglich ein Gemeindebeamter oder zwei andere neutrale Zeugen zuzuziehen (9105 Abs. 2 StPO);
4. Eine Durchsicht der Papiere des von der Durchsuchung Betroffenen steht nur dem Richter zu, es sei denn, der Betroffene ist mit der Durchsicht durch andere einverstanden (§ 110 StPO). Für den normalen Bürger, der keine einschlägigen Erfahrungen hat, liest sich das Gesetz wie ein Katalog von
rechtsstaatlichen Garantien zur Wahrung seiner Wohn- und Lebenssphäre als Schutz vor polizeistaatlichen Eingriffen. Bestimmte Gesetzestexte sind reine Justizpropaganda. Mit ihnen soll bei allen, die sie lesen, der Glaube an die heile Justizwelt erhalten werden. Jeder, der Erfahrung mit Hausdurchsuchungen hat weiß, daß die Praxis anders aussieht. Die Ermittlungsbehörden bedienen sich dabei des Begriffes der “Gefahr im Verzug”. Was vom Gesetzestext her als Ausnahme formuliert ist, wird in der Praxis zur Regel. Ohne im Einzelnen näher zu begründen, woran die Gefahr zu sehen ist, wird unter Umgehung von Gericht und Gesetz in vielen Fällen so verfahren, als gäbe es weder Grundgesetz noch StPO. Der Rechtsbegriff “Gefahr im Verzug” wird zur leeren Legitimationsfloskel für rechtswidrige Ermittlungsmethoden:
1. Beschwerde gegen die Hausdurchsuchung einzulegen ist sinnlos, weil sie keine aufschiebende Wirkung hat. Da das Gericht aber erst entscheidet, wenn die Beamten längst über alle Berge sind, ist die Beschwerde gegenstandslos. Eine beendete Maßnahme läßt sich nicht mehr verhindern.
2. Eine Strafanzeige gegen die verantwortlichen Beamten etwa wegen Hausfriedensbruch im Amt oder wegen Nötigung ist sinnlos. Die Anzeige wird von der Staatsanwaltschaft und der Kripo bearbeitet. Selbst wenn ein rechtlich denkender Staatsanwalt oder Kriminalbeamter diese Methoden für ungesetzlich halten sollte, so wird dieser doch nicht gegen seinen Chef, der wieder einen Chef hat, ein Verfahren durchsetzen können.

ERFAHRUNGSBERICHT – HAUSDURCHSUCHUNG:

Ich wache auf, weil jemand an der Tür rüttelt. Ich denke: Einbrecher! Dann ein kurzes
Klingeln und ehe ich ganz wach bin und aufstehen kann, sind sie schon da. Ein
Rollkommando der Polizei mit Maschinenpistolen im Anschlag stehen um mein Bett herum.
Sofort fallen mir Zettel ein, Adressenlisten, Bücher, die verboten sein könnten. Immer
dieses verdammte schlechte Gewissen. Sehe ich einen Polizisten auf mich zukommen,
überlege ich sofort, ob ich irgend etwas falsch gemacht haben könnte. Vielleicht sind
wieder Schriften von Zündel oder Walendy verboten – einen Moment lang scheint mir alles
möglich. Dann komme ich wieder zu mir und frage, warum sie bei mir eine Durchsuchung
machen. „Hier sind wir es, die Fragen stellen, das werden Sie schon früh genug erfahren.“
Nun möchte ich den Durchsuchungsbefehl sehen. „Durchsuchungsbefehl?“ sagt einer höhnisch,
„den brauchen wir nicht, Gefahr im Verzug.“ Einer bewacht das Telefon, und als ich
verlange, mit meinem Anwalt zu telefonieren, heißt es „das könne ich später tun“. Sie
benehmen sich so, als ob ich froh sein müßte, von ihnen überhaupt eine Antwort zu
erhalten. Jeder einzelne von ihnen ein kleiner Machthaber. Aber wahrscheinlich haben sie selber
Angst, vermuten ein Waffenlager oder so etwas, fühlen sich in Feindesland. Als würden sie
erwarten, daß ihnen jeden Augenblick ein Partisan in den Rücken springt. Sie holen alle
Bücher aus den Regalen herunter, wühlen in Zeitschriften, in Archiven, alten Fotomappen,
persönlichen Briefen. Der Herr in Zivil, wohl der Staatsanwalt, will wissen, wer denn das
auf dem Bild sei, von wem ich denn so viele Briefe bekomme. Als er keine Antwort bekommt,
zeigt er auf die Tür eines etwas abgelegenen Zimmers, in dem eine Freundin wohnt, deren
Namensschild auch an der Tür hängt. Er fragt, wessen Zimmer das sei. Ob er darauf eine
Antwort erwartete, weiß ich nicht. Jedenfalls wollen sie mir jetzt wohl zeigen, was eine
Harke ist. Sie brechen auch dieses Zimmer auf, reißen überall die Laken aus den Betten,
heben die Matratzen hoch, zerren die Platten aus den Hüllen, in der Küche das ganze
Geschirr aus den Regalen, das Besteck dazu und kippen zur Krönung noch Marmelade drüber.
Sie stampfen durch die Wohnung, als wären sie hier zu Hause und machen einen Lärm, daß
mir Angst und Bange wird. Die Nachbarn könnten sich aufregen und der Hauswirt uns kündigen. Endlich sind sie fertig. Ich bestehe darauf, daß ein Protokoll gemacht wird und
bin froh, als sie wieder weg sind. Kurzum: Die Polizei stürmt Deine Wohnung bei Tag und Nacht, wie und wann sie will. Gefahr im Verzug ist immer. Zeugen sind „leider“ nie erreichbar. Anwalt? Was wollen Sie denn mit dem? Hilft nur noch eins: Die ganze Aktion wie einen Heuschreckenschwarm über sich ergehen lassen, damit der Schaden möglichst gering bleibt. Das kostet Nerven. Diesen Aufwand an Angst und Nervenkraft kannst Du gering halten, wenn Du von vornherein folgendes berücksichtigst: Es gehört zur Taktik der Polizei, Durchsuchungen zu einer Zeit durchzuführen, in der Du am wenigsten damit rechnest und am wenigsten widerstandsfähig bist. Auf diese Weise erhofft man sich Angstreaktionen von Dir, die als Ermittlungshinweise für die Polizei wertvoll sein könnten. Also kommt man am frühen Morgen vor dem Aufstehen. Es klingelt oder klopft an der Tür zu einer Zeit, in der nur gute Bekannte zu Dir wollen. Die Beamten stürzen schwer bewaffnet in unbegreiflichen Mengen an Dir vorbei und besetzen alle Räume in der Wohnung. Du siehst Uniformen neben Deinem Bett, Maschinenpistolen in der Küche, und wenn Du aufs Klo willst, mußt Du erst einen Beamten verscheuchen. Deine Wut wird durch Deine Ohnmacht gesteigert. Deine Hilflosigkeit macht Dir Angst. All diese Reaktionen stärken die Gegenseite. Mach Dich von Deinem inneren Zwang frei, indem Du Widerstand leistest. Äußere Empörung über Zweck und Recht der Aktion. Auch hier gilt: Nichts sagen! Auch wenn man die Sache dadurch verlängert; Du bist rechtlich nicht verpflichtet zu helfen. Am besten ist, wenn Du Dir in einer ruhigen Stunde mal überlegst, wie Du im Falle einer Durchsuchung reagierst. Dann bist Du mindestens gedanklich darauf vorbereitet und kannst Dich zu einer angemessenen Reaktion zwingen, da Du nicht lange nachzudenken brauchst. Versuche so zu reagieren, als geschehe das jeden Tag. Gib den Beamten nicht die Gelegenheit, sich daran zu weiden, wie Du Dich vor ihnen in Deinem Bett oder Nachtgewand schämst. Wenn sie schweinische Bemerkungen machen, so gehe nicht darauf ein. In ihrem Sadismus legen sie es gerade darauf an, Dich zu provozieren. Gib ihnen nicht die Ehre, in diesem provozierenden Spiel ihr Partner zu sein. Betrachte sie wie geschlechtslose Wesen, vor denen sich zu schämen überflüssig wäre. Womöglich ist es gerade ihre Angst vor dieser Geschlechtslosigkeit, die sie mit ihren Provokationen töten wollen. Du bist der Überlegene, wenn Du Dich nicht darauf einläßt. Geh in die Küche und koche Dir einen Kaffee. Lies die Zeitung und lenke Dich ab. Versuch nicht etwas „zu retten“. Das geht meistens schief. Auf solche Reaktionen ist die Polizei vorbereitet. Darin hat sie Erfahrung. Das lernt sie bereits auf der Polizeischule. Nach zwei Stunden spätestens sind sie wieder weg. Dann ist der Spuk vorbei und Du bist um eine Erfahrung reicher. Allerdings ist für Deine persönliche Ruhe einiges zu beachten:

1. Verliere nie den Überblick über Sachen, die in Deiner Wohnung sind.
2. Bewahre keine Sachen auf, die nicht unbedingt für Dich von Bedeutung sind.
3. Lege keine Korrespondenzarchive an.
4. Mach Dich frei von Souvenir- und Dokumentenfetischismus.

Es gibt Kameraden, die schon jetzt dafür arbeiten, daß die spätere Geschichtsforschung möglichst lückenlos Material über unsere Aktivitäten erhält. Wer Adressen, Waffen usw. in seiner Wohnung aufbewahrt, zeigt damit, daß er nur noch in einer Hinsicht ernst zu nehmen ist: Als Gefahr für seine Kameraden und sich selbst. Hausdurchsuchungen kommen plötzlich. Sie kündigen sich nicht durch Sternzeichen und andere geheimnisvolle Zeichen an. Laß Dich nicht dazu überreden, für Unbekannte oder „gute Freunde“ Sachen in Deiner Wohnung unterzustellen, von denen Du nicht beurteilen kannst, wozu sie gut sind oder woher sie stammen. Nicht selten folgt solchen Provokationen die „fündige“ Hausdurchsuchung auf dem Fuße. Das ganze klingt, als sei das Ertragen einer Hausdurchsuchung ein Kinderspiel. Das ist es ganz bestimmt nicht. Kaltschnäuzig und besonnen zu bleiben kostet eine Menge Energie. Es ist nicht einfach, wenn Du zusehen mußt, wie die Beamten mit zynischen Bemerkungen Deine persönlichen Sachen durchschnüffeln, oder wie sie Sachen behandeln, die Dir wertvoll sind. Sie werfen Deine Bücher auf die Erde und schütteln sie, daß die Seiten fliegen. Es ist vorgekommen, daß sie Lebensmittel auf den Fußboden ausschütten, weil sich schließlich die gesuchten Sachen in den Tüten befinden könnten. Wer sich später dagegen erfolgreich zur Wehr setzen will, ist meist in Beweisschwierigkeiten. Sieh zu, daß es Leute gibt, die bezeugen können, in welchem Zustand Deine Wohnung sich gewöhnlich befindet und wie aufgeräumt sie ist.
Wenn Du Kinder hast, überlege Dir jetzt schon einmal, was Du mit ihnen tust, falls die Polizei kommt. Kläre Deine Kinder darüber auf, was die Polizisten machen, wenn sie kommen, und wie man sich verhalten soll.
Übrigens: Die Polizei kommt manchmal mehrmals hintereinander, weil sie denkt, man sei blöd und hole nach überstandener Gefahr jetzt all die gesuchten Sachen hervor. Auch das ist Routine und darf Dich nicht aus der Fassung bringen.