RP 25.6.7
Wenig Zucker für den Elefanten
Von MARTIN ROOS
Es hätte für die zwei doch ein so gemütlicher Abend werden können. Dort oben auf dem kniehohen Podest. Auf dem weichen, schwarzen Ledersofa. Zwischen Benjamin- sträuchern und zwei Fläschchen Mineralwasser im holzgetäfelten Festsaal des Traarer Dorint-Hotels. Und anfangs wollten sich ja alle auch recht lieb haben: Sanft umbrandete Hans-Dietrich Genscher beim Eintritt in die Halle der Libellen der Applaus von 200 Damen und Herren, die auf Einladung der Liberalen zum Zwiegespräch des Bundes- außenministers aB. mit Claus Hinrich Casdorff gekommen waren. Daß das im Rausch der Langweile vollzogene Bauchpinseln zweier Privatiers jäh unterbrochen wurde, lag vor allem an den aggressiven wie dümmlichen Unmutsäußerungen vornehmlich männlicher Dazwischenquatscher im Publikum.
Siezen zweier Duzfreunde
Dem FDP-Ehrenvorsitzenden ein paar Dönekes zu entlocken, wollte Herrn Casdorff nicht so recht gelingen. Mal hier ein.Witz, mal da ein Biß und auch schon mal ein Gähnen. Mehr als die steten Fragen nach Genschers gelbem Pulli, nach dem vielfach und schwach- sinnig diskutierten Zusammenhang seiner abstehenden Ohren mit seiner Leiden- schaft für Elefanten und nach seiner aüßenministenialen Vorliebe für Männerfreundschaften hatte der kollegiale Casdorff nicht die Absicht zu stellen. Wozu auch. Trotz des moderaten Siezens vor Publikum sind Hans-Dietrich und Claus Hinrich schon lange Duzfreunde.
So richtig wehtun, wollten sie sich also nicht. Genscher war mit seinen politischen Taten und deren Folgen zufrieden: Die FDP-Nachfolge beunruhige ihn keineswegs, die Partei habe durchaus nicht die schlechtesten Chancen bei der nächsten Bundestagswahl, Kinckl sei ein guter Mann, Europa das Ziel. Selbst Casdorffs Frage nach seiner Gesundheit, beantwortete er mit “Danke, gut”. Daß Genscher politisch zukünftig vor allem als Wahlhelfer in NRW und in seinem Heimatland Sachsen-Anhalt weiterkämpfen wollte, erstaunte niemanden. Auch, daß er für den kommenden Bundestag nicht mehr kandidiert, erregte keinen.
Liberaler in Hochform
Fahrt erhielt das politisches Plauderstündchen erst durch Fragen ein paar weniger, wohl immer noch in den
Wirren vergangener deutscher Zeiten lebender Herren, die sich unter das ansonsten höfliche und liberale Publikum gemischt hatten. Genscher lief zu Hochform auf: Zweifellos sei die deutsche Vereinigung nicht fehlerfrei verlaufen und der Weg zum Euro kein Zuckerschlecken. Wenn man ihm, Genscher, jedoch vorwerfe, ähnlich wie Wehner mit der Stasi etwas zu tun haben zu können und ihn gleichtzeitig frage, wann man endlich aufhöre, über das Dritte Reich zu reden, sei das genau der Grund, eben so lange über diese Vergangenheit reden zu müssen, bis es solche Fragen nicht mehr gebe. Und auch solche Fragenden nicht mehr, ergänzte Casdorff.