RP Viersen Donnerstag, 19. Oktober 2000 – Nr. 243
Couragierte Haltung zu Parolen ist bitter nötig
Von CHRISTIANE WILLSCH
KREIS VIERSEN. Dass er sich mit seinem Engagement nicht nur Freunde macht, ist dem Kempener Politologen Dr. Klaus-Peter Hufer schon lange klar. Eine Situation wie die beim VHS- Abend in der Viersener Stadtbibliothek hat er trotzdem noch nicht erlebt: Etwa einem Dutzend der 40 Besucher, die zum Thema “Wie wehre ich mich gegen Stammtisch- parolen?” im Vortragsrauxn saßen, ging es nicht um die
Bekämpfung, sondern offenbar um die Verteidigung gerade dieser Parolen. Da reichten Provokationen von Fragen wie “Was haben Sie eigentlich gegen Rechts- extremismus?” bis zu persön- lichen Beleidigungen. des Referenten, die die Veranstaltung geradezu zum Anschauungsunterricht werden ließen. Allein der souveränen Haltung des Referenten war es zu verdanken, dass der Abend nicht in einem Tumult endete.
Dr. Hufer änderte sein Konzept und schränkte die Mitarbeit des Auditoriums ein. So informierte er darüber, dass er als Leiter des Fachbereichs Politische Bildung bei der Kreis-VHS etwas dagegen tun wollte, dass sich stets Interessenten für Rhetorik und Psychologie, selten für politische Bildung fanden. Kurzerhand verband er die Themen – herausgekommen sind bundesweite Seminare und das Buch “Arguxnentationstraining gegen Stammtischparolen”, das gestern von NRW-Arbeitsminister Schartau.
Beim Begriff “Stammtisch” handle es sich um ein Synonym: Immer, wenn Gespräche in trauter Runde abdriften, indem intolerante Schlagworte in meist bierlauniger Runde die Szene beherrschen, sind “Stammtischparolen” gemeint. Es gelte sich zu wehren gegen Intoleranz, menschen- verachtende und demokratiefeindliche und eben vor allem rechts-radikale Tendenzen. In seinen Seminaren sammelt Hufer mit den Teilnehmern zunächst gängige Parolen, dabei gibt es durchaus regionale Unterschiede, In Bayern etwa wird proklamiert, “die Preußen haben einen Stock im Kopf”, in Brandenburg gibt es viele anti-polnische Parolen.
Und doch liegt der Schwerpunkt bei Ausländerpolitik, Asylfragen und Arbeitslosigkeit. Schwer sei es einzugreifen, da die Parolen eingängig, ohne Differenzierung im Raum stünden und keine Alternativen zuließen. In einem “Themenhopping” liege aber die Chance: “Nageln Sie den Gesprächspartner auf ein Thema fest.”
Proklamiert er etwa, Ausländer nähmen uns die Arbeit weg, so könne man Fakten fordern: “Wer nimmt dir den Arbeitsplatz weg? Was soll mit den Ausländern geschehen? Was passiert mit der Müllbeseitigung?” Natürlich gebe es Situationen, in denen jedes weitere Gespräch sinnlos ist. “Uber die Auschwitzlüge muss man nicht weiter diskutieren” in der Regel lohne sich couragiertes Eingreifen aber, vor allem in der Langzeitwirkung.
Am Ende des Abends zeigte sich Huf er nicht einmal erstaunt über dessen Verlauf, einige Störer kenne er schon von früheren Vorträgen. Das dokurnentiere ja gerade die bittere Notwendigkeit der Seminare.